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Fragenübersicht Was sagst du zum faktischen Verbot unmoderierter Foren durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte?
1 - 20 / 37 Meinungen+20Ende
0
16.06.2015 15:45 Uhr
Von wann ist das Urteil?
16.06.2015 15:46 Uhr
Die korekte Quelle ist: http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-155105

Das Urteil ist von heute.
16.06.2015 15:50 Uhr
Der EGMR fordert nicht weniger, als alle Kommentare vor der Veröffentlichung manuell zu prüfen.

Damit wird die Freischaltung einer Kommentarfunktion und der Betrieb unmoderierter Foren zum existenziellen finanziellen Risiko.

Das Urteil ist ein Alptraum für die Meinungsfreiheit.

(Um ganz sicher zu gehen, empfiehlt es sich, das Urteil selbst zu lesen und nicht nur die Berichterstattung darüber)

Die Missbrauchsmöglichkeiten sind gigantisch...
16.06.2015 16:01 Uhr
Ich bewundere Solid wie er es schafft als Nichtjurist ein 88-seitiges Urteil in Englisch noch am Tag der Verkündung zu lesen und aufgrund seiner weitreichenden Kenntnisse des estnischen und Unionsrechts in Verbindung mit seinem Wissen um deutsches Recht abschließend zu bewerten. Hut ab.
16.06.2015 16:16 Uhr
Zitat:
Hans-Peter Lehofer, Verwaltungsrichter und Ex-Chef der Medienbehörde KommAustria, sagt Ende Mai zum STANDARD, dass das Urteil nicht überwertet werden sollte, denn auch wenn es sich um eine Richtungsentscheidung auf europäischer Ebene handle, gehe es immer um die konkreten Umstände von Einzelfällen.


Quelle: http://derstandard.at/2000017563036/EGMR-Forenbetreiber-haften-fuer-Nutzer-Beleidigungen

Eine generelle Schlussfolgerung der Marke Solid ist nicht erkennbar.
16.06.2015 16:45 Uhr
Zitat:
Ich bewundere Solid wie er es schafft als Nichtjurist ein 88-seitiges Urteil in Englisch noch am Tag der Verkündung zu lesen und aufgrund seiner weitreichenden Kenntnisse des estnischen und Unionsrechts in Verbindung mit seinem Wissen um deutsches Recht abschließend zu bewerten. Hut ab.



Das bewundere ich schon immer an Solid. Da können die Bundesverfassungsrichter noch was lernen.
16.06.2015 21:05 Uhr
Grundsätzlich ergibt sich daraus nichts Neues.
Zumindest nicht wenn auf deutscher Rechtsgrundlage betrieben wurde.
16.06.2015 21:05 Uhr
Eine Runde Mitleid für den Umfragesteller.
16.06.2015 22:10 Uhr
Auch wenn Verantwortung für Sachen, die man macht, aus der Mode gekommen ist: es ist selbstverständlich, dass Leute, die Internetforen betreiben, diese zu moderieren haben.
17.06.2015 04:50 Uhr
Bisher werden nur die wenigsten Foren moderiert und das wird auch nicht gefordert. Moderiert heißt, dass Kommentare nicht sofort erscheinen, sondern freigeschaltet werden müssen.
In diesem Sinne ist auch dol2day ein unmoderiertes Forum.
17.06.2015 06:22 Uhr
Die Fakten:

Am 24. Januar 2006 wurde ein Artikel publiziert, der innerhalb von zwei Tagen 185 mal kommentiert wurde, 20 Kommentare davon waren bösartig. Am 9. März 2006, also rund sechs Wochen nach dem Posten der Kommentare erfolgte der Hinweis durch den Beleidigten und die Kommentare wurden noch am selben Tag gelöscht, also "unverzüglich". Dennoch forderte der Beleidigte Schadenersatz von dem Forenbetreiber.

Das entspricht dem Information Society Services Act, Section 10, wo es heißt:

"Where a service is provided that consists of the storage of information provided by a recipient of the service, the service provider shall not be liable for the information stored at the request of a recipient of the service, on condition that: 1. the provider does not have actual knowledge of the contents of the information and, as regards claims for damages, is not aware of facts or circumstances from which the illegal activity or information is apparent; 2. the provider, upon obtaining knowledge or awareness of the facts specified in indent 1 of this subsection, acts expeditiously to remove or to disable access to the information."

Diese Regelungen wurden von den estnischen Gerichten nicht angewendet und folglich Schadenersatz festgesetzt. Dagegen klagte der Forenbetreiber und scheiterte nun vor dem EGMR.

In der Begründung heißt es:

"the applicant company’s involvement in making public the comments on its news articles on the Delfi news portal went beyond that of a passive, purely technical service provider"

Damit wird Forenbetreibern der Schutz durch den Information Society Services Act, Section 10 versagt.

"The Court observes that different degrees of anonymity are possible on the Internet"

Hier geht es darum, ob die Autoren der Beleidigungen ausreichend identifizierbar waren, um sie anstelle des Forenbetreibers zur Verantwortung zu ziehen, der EGMR verlangt hier mindestens eine Registrierung mit Überprüfung der Mailadresse.

"the subsequent removal of the comments by the applicant company, without delay after publication, would have sufficed for it to escape liability under domestic law."

Die Kommentare hätten also auf eigene Initiative im Rahmen einer allgemeinen Prüfpflicht innerhalb der sechs Wochen zwischen Veröffentlichung und Hinweis entfernt werden müssen. Damit etabliert der EGMR explizit eine allgemeine Prüfpflicht.

Das bedeutet für die Forenbetreiber einen gigantischen Aufwand, denn sie müssen jeden einzelnen Beitrag innerhalb weniger Stunden aufwändig juristisch prüfen, denn natürlich sind nicht alle Beiträge "offensichtlich" rechtswidrig, bei manchen stellt sich die Rechtswidrigkeit auch erst nach einem langen Prozess heraus. Durch diese Prüfpflicht wird dem Forenbetreiber ein enormes wirtschaftliches Risiko auferlegt.

Dieses wirtschaftliche Risiko ist dem EGMR bewusst, was sich aus der folgenden Einalssung ergibt:

"The Court also refers, in this context, to the Krone Verlag (no. 4) judgment, where it found that shifting the risk of the defamed person obtaining redress in defamation proceedings to the media company, which was usually in a better financial position than the defamer, was not as such a disproportionate interference with the media company’s right to freedom of expression"

Ziel der Entscheidung ist es offensichtlich, das Risiko und die Kosten für Forenbetreiber durch Installation der "post-monitoring obligation" massiv zu erhöhen und so die Möglichkeiten zur Meinungsäußerung im Internet zu verringern.

Der EGMR hat die Verschaffung einer Gelegenheit zur Meinungsäußerung zwar nicht verboten, aber mit so hohen wirtschaftlichen Kosten und Risiken versehen, dass ein Forenbetrieb unverhältnismäßig teuer gemacht wurde.
17.06.2015 06:30 Uhr
@Barney Stinson, @Botsaris

Das Urteil des EGMR ist - für jemanden, der der englischen Sprache mächtig ist - erstaunlich einfach zu lesen und zu verstehen. Das juristische Fachsprech hält sich in engen Grenzen, es ist recht allgemeinverständlich formuliert.

Und mit Hilfe des Inhaltsverzeichnis findet man die relevanten Stellen auch recht schnell.

Vielleicht solltet ihr eure eigenen intellektuellen Möglichkeiten nicht zum Maßstab für andere machen.
17.06.2015 06:31 Uhr
Zitat:
Das bedeutet für die Forenbetreiber einen gigantischen Aufwand, denn sie müssen jeden einzelnen Beitrag innerhalb weniger Stunden aufwändig juristisch prüfen, denn natürlich sind nicht alle Beiträge "offensichtlich" rechtswidrig, bei manchen stellt sich die Rechtswidrigkeit auch erst nach einem langen Prozess heraus.


Woraus ergeben sich "innerhalb weniger Stunden", "juristische Prüfung", "tiefgehende (juristische) Prüfung?
17.06.2015 06:34 Uhr
@rKa
Das ist etwas kurz gelesen.
Denn die estnische Rechtslage unterscheidet sich nicht von der deutschen.

Wesentlich ist, dass der EGMR festgestellt hat, dass sich ein Forenbetreiber nicht als technischer Dienstleister betrachten darf und daher das Teledienstegesetz auf ihn nicht anwendbar ist.

Damit entfällt das Privileg, auf den Hinweis des Opfers warten zu dürfen.
17.06.2015 06:34 Uhr
Ok, bis die Betreiber von eine technische Lösung für das Problem gefunden haben, sollte Solid alle seine Beiträge zuerst an einen Mod oder einen Redaxler schicken. Dieser prüft dann, ob sie veröffentlicht werden können. Ich denke, das wäre eine praktikable Lösung.
17.06.2015 06:36 Uhr
@Ratatata
"innerhalb weniger Stunden" ergibt sich aus "without delay after publication".

Und die Pflicht zur juristischen Prüfung ergibt sich aus der Notwendigkeit der Vermeidung rechtswidriger Inhalte.
17.06.2015 06:37 Uhr
@Robbi
Vielleicht liest du einfach mal das Urteil anstatt mit deinem billigen ad hominem Scheiß zu langweilen.
17.06.2015 06:41 Uhr
Zitat:
Vielleicht liest du einfach mal das Urteil


Getan. Ich kann Deinen Schlussfogerungen nicht folgen. Und bin damit nicht allein.
17.06.2015 06:44 Uhr
Zitat:
Und die Pflicht zur juristischen Prüfung ergibt sich aus der Notwendigkeit der Vermeidung rechtswidriger Inhalte.


Ich bezweifle, dass eine juristisch tiefgehende Prüfung gemeint ist. Es dürfte eine Prüfung gemeint sein, die sich im Rahmen des "gesunden Menschenverstandes" bewegt. Allenfalls in Spezialforen könnte ein gewisses Fachwissen vorausgesetzt werden.
17.06.2015 06:49 Uhr
@Ratatata
Es besteht eine Pflicht zur vorauseilenden Löschung, das hat der EGMR klargestellt.

Wenn sich also jemand über irgendwas beschwert und dann später vor Gericht Recht bekommt (Beleidigung, Markenrechtsverletzung, Urheberrechtsverletzung, etc.) dann muss der Betreiber Schadenersatz wegen Nichtlöschens bezahlen.

Der Betreiber ist daher gezwungen, das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung vorherzusehen.
  GRUENE   IDL   SII, KSP   FPi
  CKP, KDP   UNION   NIP   PsA
  LPP   Volk, Sonstige
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