Chat-Transkript vom 24.10.2007

Wolfgang Bosbach, Mitglied des Bundestages, CDU (stellv. Fraktionsvorsitzender)

Thema: Aktueller Kurs der CDU

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: Moderator hat den Raum verlassen
: Moderator hat den Raum betreten
: Wolfgang_Bosbach hat den Raum betreten
Moderator: Sehr geehrter Herr Bosbach. Zunächst noch einmal herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für einen Chat auf den Seiten von dol2day nehmen.
Moderator: Wir sind nun online geschaltet und können direkt loslegen.
Moderator: Mein Name ist Andreas Hauser und ich werde den Chat heute moderieren, d.h., ich werde die Fragen der User sammeln und anschließend in den Chat stellen.
Moderator: Können Sie zur Einleitung kurz ihre aktuellen Aktivitäten beschreiben und einleitend zu unserem Thema „Aktueller Kurs der CDU“ ein Statement abgeben?
Moderator: Herr Bosbach, sind Sie online?
Wolfgang_Bosbach: In den letzten Wochen hat aus aktuellem Anlass das Thema Terrorbekämpfung auf meiner politischen Tagesordnung ganz oben gestanden. Gestern kam als ebenso wichtiges wie aktuelles Thema der Richtlinienentwurf der EU für eine vermehrte Zuwanderung ausländischer Arbeitsnehmer auf die EU-Arbeitsmärkte hinzu. Hier sehr ich nun wirklich nicht die Notwendigkeit, dass sich die EU dieses Themas annimmt, vielmehr sollten die Mitgliedsstaaten allein darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang sog. Drittstaatsangehörige zur Arbeitsaufnahme einreisen sollen bzw. dürfen. Solange wir mit 3,6 Millionen Arbeitslose haben, müssen wir uns darauf konzentrieren, zunächst diesen Personenkreis wieder in Beschäftigung zu bringen.
Moderator: Gehen wir zu Anfang noch einmal auf das Thema Terrorbekämpfung und Onlinedurchsuchungen ein.
Moderator: Ich werde mal meine Schreibfarbe ändern.
Moderator: Das Thema „Onlinedurchsuchungen“ ist ja nicht nur Thema auf ihrer Webseite, sondern allgemein in aller Munde. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Wolfgang_Bosbach: Wir können auf das Fahndungsmittel Online-Durchsuchung zur Abwehr terroristischer Gefahren nicht verzichten. Wenn wir dies täten, würden wir den Terroristen einen sicheren Raum zur Kommunikation garantieren. Der internationale Terrorismus ist aber nicht nur hochkonspirativ, sondern auch hochkommunikativ. Die Überwachung der Telekommunikation ist daher zur Abwehr schwerster Gefahren unerlässlich.
: *Teutonia* hat den Raum betreten
*Teutonia*: Guten Abend Herr Bosbach, guten Abend Andreas! Entschuldigen Sie bitte die Verspätung. Bin gerade erst aus dem Büro gekommen.
Moderator: Frage von Pantalaimon an Wolfgang Bosbach:    "Herr Bosbach wie steht die CDU zu den Vorstößen des Herrn Innenministers Schäuble? Ich denke mal die Vorschläge weite teile der GRundrechte zu unterminieren kommen nicht bei allen in ihrer Partei gut an,"
Wolfgang_Bosbach: CDU und CSU stehen geschlossen hinter den Innenminister, zumal er nicht daran denkt, Grundrechte auszuhöhlen. Ich darf daran erinnern, dass die Online-Durchsuchung in Deutschland durch Rot-Grün eingeführt wurde, nicht durch die Große Koalition. Schäuble hat die Online-Durchsuchung gestoppt, weil es hierfür keine sichere Rechtsgrundlage gibt. Die will er schaffen. Dass er dafür von jenen kritisiert wird, die ohne Rechtsgrundlage die Online-Durchsuchung eingeführt haben, ist schon paradox. Außerdem gibt es kein Grundrecht, als Terrorist nicht entdeckt und geschnappt zu werden. Die Online-Durchsuchung soll ja nur dann zulässig sein, wenn das Bundeskriminalamt konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass eine bestimmte Person den Terrorismus unterstützt. Daher werden 99,999 Prozent der Bevölkerung von einer solchen Maßnahme niemals betroffen sein.
Moderator: Frage von Anne*** an Wolfgang Bosbach:    "Guten Abend Herr Bosbach, meinen Sie wirklich, dass es Terroristen nciht schnell gelänge, die "Bundestrojaner" zu umgehen? Das ist doch wie die Nadel im Heuhaufen suchen."
Moderator: Frage von Tatsu an Wolfgang Bosbach:    "Vor wenigen Wochen war ich auf einer Veranstaltung mit Ihnen (in Stutensee-Blankenloch; Thema "Islamismusin DE"), dort haben Sie sehr gut erklärt, warum es wichtig ist, dass wir beidseitige Integration haben. Können Sie dies nocheinmal in wenigen kurzen Sätzen für die Doler hier zusammenfassen?"
Wolfgang_Bosbach: Wir nehmen seit 1860 weltweit Fingerabdrücke, sodass sich in Ganovenkreisen eigentlich herumgesprochen haben müsste, dass man solche an Tatorten besser nicht hinterlässt und trotzdem werden jeden Tag Verbrecher dadurch überführt. In jedem einzelnen Fall wird das BKA umfassend prüfen müssen, ob der Einsatz forensischer Software Sinn macht und erfolgversprechend ist oder nicht. Natürlich kann man bei Ermittlungsmaßnehmen nie von vorne herein wissen, ob sie den gewünschten Erfolg bringen oder nicht, das gilt aber auch für andere Maßnahmen, wie die Telefonüberwachung auch.
Moderator: Frage von Ostpreuße an Wolfgang Bosbach:    "Frau Merkel hat angekündigt die CDU wolle die neue Partei der Mitte sein, warum sollte ein konservativer diese Partei noch wählen?"
Moderator: Frage von Anne*** an Wolfgang Bosbach:    "Muss die CDU sich, ä#hnlich wie die SPD ihr linkes Profil gegenüber der Linkspartei schärfen muss, auf der rechten Seite wieder stärker profilieren, um der NPD und ähnlichen Parteien Boden abzugraben?"
Wolfgang_Bosbach: Aus den gleichen Gründen aus denen die Union seit ihrer Gründung auch Heimat der Konservativen war und ist. Die Partei hat drei Wurzeln: Eine christlich-soziale, eine liberale und eine konservative. Und wir sollten und davor hüten, eine Wurzel zu kappen, das würde die gesamte Partei schmerzlich spüren. Die Union war immer die große Volkspartei der Mitte und Angela Merkel denkt nicht daran, das politische Koordinatensystem nach links zu verschieben. Das würde auch keinen Sinn machen, denn links der Mitte ist ohnehin kaum noch Platz und Wahlen werden in Deutschland immer in der Mitte gewonnen und nicht an den Rändern. Zuwanderung und Integration gehören untrennbar zusammen. Es gibt Millionen Beispiele für gelungene Integration, aber leider auch zu viele Belege dafür, dass sie gescheitert ist, an fehlendem Integrationswillen oder fehlender Bereitschaft. Wichtigste Voraussetzung ist das Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift, aber das allein reicht nicht. Hinzutreten muss die vorbehaltlose Akzeptanz unserer Rechtsordnung und Interesse für Deutschland, also auch für unsere Geschichte und Kultur.
Moderator: noch einmal zurück zu den Online-Durchsuchungen:
Moderator: Frage von DoubleB an Wolfgang Bosbach:    "Auch die vormalig beschlossenen Antiterrorgesetze sollten ausschließlich gegen Terroristen eingesetzt werden und wurden dann gegen unliebsame linke Demonstranten eingesetzt. Wer garantiert, dass dies bei der Online-Schnüffelei nicht genauso sein wird?!?"
Wolfgang_Bosbach: Schon Franz-Josef Strauß hat gesagt, dass es rechts von der CSU keine konservativ-demokratische Partei geben sollte. Wertkonservative müssen sich nun wirklich nicht rechtsradikalen Parteien zuwenden, um dort eine politische Heimat zu finden. Im Gegenteil. Ein Wertkonservativer wird immer auf klare Distanz zu jeder Form von Nationalismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit achten. Die Union wird immer auch konservative Positionen vertreten, aber nie einen Zweifel daran lassen, dass es mit rechtsextremistischen Gruppierungen überhaupt keine Gemeinsamkeiten geben kann.
Moderator: Frage von Anne*** an Wolfgang Bosbach:    "Sehen Sie beim "wir dürfen nciht zu sehr nach links rücken" Konfliktpotenzial z.B. mit Jürgen Rüttgers? Macht eine Ursula von der Leyen nicht linke Politik?"
Wolfgang_Bosbach: Der Gesetzestext. Jede polizeiliche Eingriffsbefugnis bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Der BKA-Gesetzentwurf liegt vor und dort kann sich jeder informieren, was der Bundesinnenminister plant. Die Antiterrorgesetzgebung richtet sich gegen jede Form terroristischer Aktivitäten, ganz gleich ob von rechts außen, links außen oder politisch-religiös motiviert. Antiterroraktivitäten gegen „Linke“ sind mir nicht bekannt.
Moderator: Frage von Ostpreuße an Wolfgang Bosbach:    "Wenn Sie sagen das die CDU immer auch konservative Positionen vertreten wird, wie erklären sie sich das sehr viele Konservative die CDU mittlerweile als kaum oder unwählbar bezeichnen. Ich denke selbst darüber nach, nach meiner RCDS Zeit in der CDU einzutreten um den rechten Flügel zu stärken, könnte dies aber nur mit Gewissenproblemen tun."
Wolfgang_Bosbach: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern würde ich nicht als „linke Politik“ bezeichnen. Nicht der Staat entscheidet darüber, ob sich junge Familien für oder gegen Kinder entscheiden, das tun diese ganz allein. Viele wollen heute sowohl eine Familie gründen als auch beruflich tätig sein. Für sie ist entscheidend, dass sie nicht vor die Alternative gestellt werden, Kinder oder Beruf, sondern dass sie beides – falls gewünscht – miteinander vereinbaren können. Daran arbeiten wir. Für die Union kommt es jetzt entscheidend darauf an, dass jene Familien, die sich für die ausschließlich häusliche Erziehung ihrer Kinder entscheiden, die gleiche Wertschätzung und Unterstützung erfahren, wie jene Eltern, die sich dazu entschließen, professionelle Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen.
Moderator: Frage von Free an Wolfgang Bosbach:    "Herr Bosbach, würden Sie der These zustimmen, dass die SPD durch eine evtl. Korrektur der Hartz-Gesetzgebung wertvollen Raum für die CDU/CSU freigibt in der politischen Mitte Deutschlands?"
Wolfgang_Bosbach: Wir waren sieben Jahre lang in der Opposition und da gab es vor zwei Jahren natürlich die große Hoffnung, dass wir nach einem Regierungswechsel Unionspolitik in Rheinkultur machen könnten. Die ist aber in einer großen Koalition noch schwieriger, als in einer andere Konstellation, denn da gibt es nicht „Koch und Kellner“, sondern zwei fast gleich starke Partner ringen jeden Tag um Kompromisse und jeder achtet darauf, dass er nicht am nächsten Tag in der Zeitung lesen muss, dass ihn der Koalitionspartner auf die Matte gelegt hätte. Dadurch verschwimmt natürlich das erwünscht klare Profil, das allerdings gilt dann für jeden, der aus einer Koalition heraus regieren muss.
Wolfgang_Bosbach: Richtig. Wenn die SPD nach links rückt und von der „neuen Mitte“ zur „alten Linken“ mutiert, ist für Union wieder mehr Platz in der politischen Mitte.
Moderator: Frage von DoubleB an Wolfgang Bosbach:    "Was würden die Unionsparteien machen, wenn es wieder nicht für Schwarz-Gelb reichen sollte, rot-rot-grün aber, entgegen ihrer Wahlkampfmaschnerie, nicht zustande kommt? "
Wolfgang_Bosbach: Man soll der Gnade des Herrn zwar keine Grenzen setzen, aber wir werden wohl auch bei der nächsten Wahl nicht die absolute Mehrheit bekommen. Ich gehe davon aus, dass wir bei der nächsten Bundestagswahl nicht die Fortsetzung der Großen Koalition anstreben, sondern ein bürgerliches Bündnis mit der FDP. Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass wir dieses Ziel knapp verfehlen können, aber damit beschäftige ich mich heute wirklich nicht. Erste wählen, dann zählen, dann entscheiden. Wenn wir heute schon über mögliche Dreierbündnisse spekulieren würden, wären die Wählerinnen und Wähler zu Recht total verunsichert und das sollten wir vermeiden. Am besten sind immer noch klare Alternativen, bei denen auch unterschiedliche politische Positionen deutlich erkennbar sind.
Moderator: Frage von Ostpreuße an Wolfgang Bosbach:    "Warum setzt die Union nicht auf das Thema Patriotismus?"
Moderator: Frage von Anne*** an Wolfgang Bosbach:    "Wie stehen Sie zu den Aussagen von Franz Josef Jung zum Thema Flugzeugabschüsse?"
Wolfgang_Bosbach: Das tun wir, aber ich würde mir wünschen, dass wir dies noch häufiger täten. Dabei dürfen wir allerdings Patriotismus nicht mit Nationalismus verwechseln. Patriotismus ist Vaterlandsliebe und das ist eine gute Sache. Der Nationalismus hat schon viel Leid über unser Land gebracht und dem sollten wir nicht huldigen. Gerade bei den Themen Integration und Staatsbürgerschaft könnten wir in der politischen Diskussion gut verdeutlichen, was wir unter Patriotismus verstehen.
Moderator: Da wir uns nun langsam dem Ende des Chats nähern, werde ich nach der Frage zu der Aussage von Herrn Jung noch eine abschließende Frage stellen.
Moderator: Frage von DaMax an Wolfgang Bosbach:    "Derzeit wird ja die "Blue Card" zur Öffnung des Arbeitsmarktes für hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Außereurpäischem Raum diskutiert. Die Union lehnt dies ab. Was hat die Union für ein Konzept mehr hochqualifizierte Fachkräfte im Inland auszubilden?"
Wolfgang_Bosbach: Ich stimme Franz-Josef Jung zu, dass wir den Einsatz der Bundeswehr im Innern verfassungsrechtlich legitimieren sollten, denn die jetzige Situation ist geradezu paradox. Es gibt Gefahrenlagen in denen zwar die Polizei zur Gefahrenabwehr zuständig ist, hierfür hat sie jedoch keine technischen Fähigkeiten. Bei der Bundeswehr ist es dann genau umgekehrt. Sie könnte helfen, dürfte es aber nicht. Das gilt nicht nur bei Angriffen aus der Luft oder von See her, sondern auch für die Abwehr von ABC-Gefahren. Wie bei einem Luftangriff in einer ganz konkreten Situation entschieden werden sollte, lässt sich im Vorhinein nie mit der notwendigen Sicherheit sagen. Ein Handeln kann ebenso fatal falsch sein wie ein Unterlassen, deshalb wird man immer situationsbedingt entscheiden müssen. Hierauf hat auch bereits der beim Bundesverfassungsgericht damals zuständige Richter hingewiesen.
Wolfgang_Bosbach: Das geltende nationale Recht ist genügend flexibel, um einem regionalen oder branchenspezifischen Fachkräftemangel zu begegnen. Das Kabinett hat in Meseberg diesbezüglich bereits erste Entscheidungen getroffen und zwar im Hinblick auf bestimmte Ingenieurberufe. Dafür brauchen wir Europa nun wirklich nicht. Insbesondere können wir nicht den Mangel an nationalen Ausbildungsanstrengungen durch mehr Zuwanderung kompensieren. Deshalb sind bessere Bildung, berufliche Ausbildung und stetige Weiterqualifizierungen sinnvoller, als eine Ausweitung der Zuwanderung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Abschließend danke ich sehr herzlich an dem Interesse an diesem Chat.
Moderator: Ich hoffe, es hat Ihnen, Herr Bosbach, Spass gemacht und möchte mich für ihre Zeit noch einmal bedanken. Wir haben noch zahlreiche Frage ürbig (wie immer :) ), aber sicherlich einige Wichtige beantworten können. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.