Chat-Transkript vom 12.05.2005

Dr. Günter Krings, MdB, Mitglied im Rechtsausschuss

Thema: Softwarepatente

Pascale: Test
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Hi
Pascale: Hallo Dhana
: Günter_Krings hat den Raum betreten
Pascale: ahhh, hatte schon Befürchtungen ;-)
Moderator: Guten Tag Herr Krings, schön, daß Sie heute für uns Zeit haben :)
Pascale: Grüß Gott Herr Dr. Krings. Schön, dass es geklappt hat ;-)
Günter_Krings: Bin gerne dabei.
Pascale: Da wir super pünktlich sind, könnten wir auch gleich anfangen, oder? @Moderator ;-)
Moderator: Meine Name ist Daniela Rohde, ich bin von der dol2day-Redaktion und übernehme heute Abend die Moderation.
Günter_Krings: Was wollen wir denn diskutieren.
Moderator: Vielleicht könnten Sie sich zum Anfang kurz vorstellen?
Moderator: Beide? ;)
Moderator: Ich glaube das Thema heute waren Softwarepatente
Günter_Krings: 35 Jahre, Mitglied im Bundestag seit 2002, Vorsitzender der Jungen Gruppe, Jurist und im Rechtsausschußunter anderem für Patentrecht zuständig.
Pascale: Wunderbar. Mein Name ist Rolf Schnell (hier bei dol2day besser bekannt unter Pascale), vertrete als Vizekanzler die Regierung bei dol2day und freue mich, dass der Chat heute am Nachmittag zu stande gekommen ist.
Moderator: Zu den Softwarepatenten gab es ja die unterschiedlichsten Berichte in den Medien, wie ist denn der aktuelle Stand?
Günter_Krings: Eine Richtlinie wird zur Zeit in zweiter Lesung im Europäischen Parlament behandelt. EU-Kommission und Ministerrat wollen eine Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, die zumindest die Gefahr schafft, daß auch verstärkt Software patentiert werden könnte. Das Parlament ist überwiegend anderer Auffassung und ebenso der Deutsche Bundestag.
Pascale: @Herr Dr. Krings wie konnte hierbei der Europäische Rat ohne weitere Diskussionen den Entwurf verabschieden?
Günter_Krings: Das hat mich auch gewundert. Ist aber wohl ein Beispiel für die bislang wenig transparente Arbeitsweise des Rates.
Moderator: Was würde denn so eine Möglichkeit Software zu patentieren konkret für den einzelnen Internetuser und kleinere Firmen bedeuten?
Pascale: Können wir davon ausgehen, dass der Entwurf im Parlament nicht durch kommt, oder müssen wir uns auf "schlimmes" einstellen? .... oder kann man aus dem Entwurf noch etwas positives abgewinnen?
Günter_Krings: Vor allem kleinere Firmen haben hier sorgen, daß sie bei der Entwicklung von Software Patente beachten müssen. Die Patentrecherche ist aber nicht so einfach, sehr zeitaufwendig und verursacht hohe Kosten. Sie stehen dann immer in der Gefahr, daß große Firmen gegen sie prozessieren und hohe Schadenseratzsummen einfordern.
Günter_Krings: Die Berichterstatter wollen den Entwurf in der Ratsfassung nicht durchwinken, aber des gibt auch andere Stimmen und dies geht quer durch die Fraktionen.
Moderator: So, und die erste Frage aus der Community
Moderator: Frage von minkaa an Dr. Günter Krings: Was könnte man denn alles patentieren lassen?
Günter_Krings: Die Auslegung des Richtlinientextes ist schon streitig. Aber die Befürchtung ist eben anhand der bisherigen Entscheidungspraxis realtiv triviale Erfindungen patentiert werden können, z. B. Fortschrittsbalken bei der Programminstallation oder der Warenkorb bei amazon.
Moderator: Gibt es auch Grenzen, was man nicht patentieren lassen kann? Ich habe da was gelesen von einem Microsoftpatent für "!=" und das brauche ich ja dauernd ;)
Pascale: @Herr Dr. Krings Ca. 30000 europäische Software-Patente sind entgegen geltendem Recht erteilt worden. Was wird mit ihnen passieren?
Günter_Krings: Das Microsoftpatent kenne ich nicht, aber vielleicht bringen Sie Bill Gates damit auf eine Idee.
Pascale: lieber nicht ;-)
Günter_Krings: Viele Patente haben das Patentrecht überstrapaziert. Aber man kann nur im Einzelfall dagegen vorgehen, deshalb muß in Zukunft für neue Patente dies restriktiver gehandhabt werden.
Moderator: Frage von knutskugel an Dr. Günter Krings:    "@Herr Dr. Krings, wie sieht es mit der Unterstützung gegen die Richtlinie in Deutschland aus? Bündnisübergreifend dafür oder eher durchwachsen?"
Günter_Krings: Meine Fraktion, die CDU/CSU, hat hierzu mit allen anderen Fraktionen im Bundestag einen kritischen Antrag zum Vorschlag des Rates erarbeitet. Der wurde im Bundestag einstimmig verabschiedet.
Moderator: Frage von Miles an Dr. Günter Krings: Wo gibt es solche Gesetze bereits?
Günter_Krings: In den USA gibt es einen sehr weitgehenden Patentschutz, aber auch in Europa gibt es unterschiedliche Gesetze. Insofern ist der Gedanke, die Sache in Europa zu vereinheitlichen, kein schlechter Gedanke.
Moderator: Frage von minkaa an Dr. Günter Krings: Sind die Softwarepatente quasi schon beschlossen oder können sie noch in der jetzigen Form verhindert werden?
Günter_Krings: Das Europaparlament hat noch die Möglichkeit die Richtlinie zu verhindern oder einen vernünftigen Kompromiß zu finden.
Pascale: @Herr Dr. Krings Einige Freie-Software-Projekte werden nichtkommerziell entwickelt. Sind diese dann überhaupt durch Patente angreifbar?
Günter_Krings: Nur eine kurze Vorwarnung: Ich muß gegen 17.40 Uhr ins Plenum, da ich dann eine Rede halten muß. Dann übernimmt mein Mitarbeiter Herr Henkel. Der zumindest genauso viel Ahnung wie ich hat zu dem Thema.
Pascale: @Herr Dr. Krings kein Problem.
Moderator: Frage von RedTiger an Dr. Günter Krings:    "Welche Fraktionen sind im EU-Parlament für die Software-Patente?"
Günter_Krings: Wenn sie patentgeschützte Teile in ihren Projekten aufnehmen, sind sie auf jeden Fall davon betroffen.
Günter_Krings: Ich kenne keine Fraktion, die geschlossen für Softwarepatente wäre. Aber es gibt durchaus Europaabgeordnete, die die Sache anders sehen.
Moderator: Frage von RedTiger an Dr. Günter Krings:    "Kommerzielle Software wie z.B. von Microsoft ist bekanntlich teuer - wieso wird in der Staatlichen Infrastruktur (Verwaltung, Justiz, Polizei, Bildung, usw.) nicht freie Software genutzt?"
Pascale: Nur knapp ein Viertel der ca. 30000 in Europa – gegen geltendes Recht – erteilten Software-Patente gehört europäischen Firmen. Ca. 42% der „Erfinder“ sitzen in den USA, ca. 28% in Japan. Ist das nicht bezeichnend, für wen die Softwarerichtlinie von Vorteil hätte? Die europäischen Unternehmen würden dann in die Röhre kucken und tief in die Tasche greifen müssen.
Günter_Krings: In der Verwaltung wird durchaus frei entwickelte Software genutzt, wie z.B. im Deutschen Bundestag. Aber es gibt ja auch durchaus gute Produkte von Microsoft, die man nutzen kann.
Günter_Krings: Da ist sicherlich was daran. Obwohl es auch durchaus große europäischen Unternehmen gibt, die für die Richtlinie in Form der Ratsfassung sind.
Moderator: Frage von Appendix an Dr. Günter Krings:    "Gibt es schon einen angedachten Termin zu Software Patenten , oder wird die Bitte auch weiterhin ignoriert um das Thema noch einmal durch zu arbeiten?"
Günter_Krings: Ich kenne den Zeitplan des EP nicht genau, aber im Rechtausschuß des EP ist das Thema schon behandelt werden.
Moderator: Frage von RedTiger an Dr. Günter Krings:    "Welche Produkte von Microsoft können nicht durch freie Software ersetzt werden, da die Software von MS besser ist?"
Günter_Krings: Grundsätzlich kann alles ersetzt werden. Nur ich persönlich habe Programme von Microsoft, die ich ganz gerne nutze. Es geht dabei also mehr um eine subjektive Sicht.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Herr Krings, oft wird auch von Politikern behauptet, dass Software Patente den mittelständischen Softwareunternehmen nützlich wären. Dabei äussern sich z.b. der Bundesverband Mittelständischer Wirtschaft negativ zu den Softwarepatenten. Und dann sieht man, das Microsoft ganz uneigennützig ein Mittelstandsportal der EU sponsort. Besteht da nicht auch von seiten der EU ein Interessenskonflikt... pro Softwarepatente, pro Microsoft und gegen die kritischen Stimmen gerade aus der mittelständischen Wirtschaft (die ja angeblich gefördert werden soll)?"
Günter_Krings: Grundsätzlich versuchen natürlich verschiedene Verbände in Brüssel Lobbyarbeit zu machen. Nur sie dürfen nicht die Überhand gewinnen und die kritischen Stimmen müssen auch noch zu Wort kommen.
Moderator: Wollen wir jetzt kurz unterbrechen, damit Sie nicht zuspät kommen? Ansonsten haben wir noch ein paar Fragen ;)
Günter_Krings: Ich muß jetzt leider den Chat verlassen und Richtung Bundestag gehen. Ich bedanke mich für das rege Interesse am Chat. Nun übernimmt mein Mitarbeiter Herr Henkel.
Pascale: Vielen Dank Herr Dr. Krings, dass Sie hier waren und uns einen Einblick geben konnten. ;-))
Moderator: Vielen Dank für Ihren Besuch :)
Pascale: @dhana gibts einen neuen Account oder machen wir mit dem alten weiter?
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Bedeuten die Software Patente nicht eine Monopolisierung zu Gunsten der grossen Unternehmen auf Kosten kleiner und mittlerer Unternehmen?"
Moderator: Ich denke mit dem alten, einfach Tastatur rüberschieben, das ist einfacher als einen neuen anzulegen und einzuloggen
Pascale: stimmt ;-)
Günter_Krings: Selbstverständlich können größere Unternehmen mit Patenten besser umgehen als die Mittelständler, da die Kosten für die Durchführung eines Patentverfahrens realtiv hoch sind. Ohne einen Anwalt geht das kaum. Patente habe aber durchaus ihre Berechtigung, sie müssen nur an der richtigen Stelle zum Einsatz kommen.
Pascale: Hallo @Herr Henkel. Schön, dass Sie übernommen haben ;-)
Pascale: Hallo @Herr Henkel. Schön, dass Sie übernommen haben ;-)
Moderator: Dem schließe ich mich an :)
Moderator: Frage von Appendix an Dr. Günter Krings:    "Ist Software nicht bereits durch das Urheberrecht und informelle Schutzmöglichkeiten (z.B. Geheimhaltung des Quelltextes) vollkommen ausreichend geschützt wird."
Günter_Krings: Freut mich auch.
Günter_Krings: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Software ist durch das Urheberrecht hinreichend geschützt. Das Patentrecht schützt technische Erfindungen, das Urheberrecht geistige Schöpfungen in ihrer konkreten Ausdrucksform. Daher ist Software beim Urheberrecht genau richtig aufgehoben.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Bedeuten die Software Patente nicht eine Monopolisierung zu Gunsten der grossen Unternehmen auf Kosten kleiner und mittlerer Unternehmen?"
Moderator: ups, das war eine Wiederholung
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Aber in der Studie der EU Kommission zu den Auswirkungen der SwPats auf den Mittelstand, hat man diesen ausgeschlossen, da zu unbedeutend und sich auf die 15 (?) grössten Unternehmen beschränkt... das spricht eher dafür, das man den Mittelstand, ebenso wie die kritischen Stimmen ignoriert. Anders war es ja auch nicht mit der Studie des BMWI, welche von der Bitcom kritisiert und dann zurück gezogen wurde, da das zu erwartende Ergebnis nicht im Interesse der Befürworter von Software Patenten war"
Günter_Krings: Aber es ist auch gerade Aufgabe der Politik die Stimmen ernst zu nehmen, die es bei Regierungsstellen sonst nicht so einfach haben. Ansonsten wäre ja der interfraktionelle Antrag im Bundestag nicht zustandegekommen. Die Studie des BMWI ist übringes heimlich still, und leise doch veröffentlicht worden.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Noch eine Frage zur Kritik an den SwPpats, ich zitiere von der Webseite der EU Kommission: "Viele der Beiträge, in denen für einen restriktiveren Ansatz plädiert wird, also dafür, weniger Patente zu erteilen, stammen aus einem offenen Forum, das von der „Eurolinux Alliance" eingerichtet wurde, einer Gruppe von Unternehmen und Einrichtungen, die die Entwicklung von quelloffener Software wie Linux unterstützen. Zwar kam die überwiegende Zahl der Antworten (90 %) von dieser Gruppe, die wichtigsten Branchenorganisationen der Informations- und Kommunikationswirtschaft sowie viele Mitgliedstaaten unterstützten jedoch den im Sondierungspapier unterbreiteten Vorschlag." Dies bedeutet doch, das sich nur 10 % der an der Sondierung teilnehmenden Firmen/Verbände/Lobbyisten sich für den Vorschlag der Kommission ausgesprochen haben, 90 % diesen aber kritisierten. Warum ging die Kommission nicht auf diese Kritik ein bzw. warum ignorierte man diese?"
Günter_Krings: Es war wohl der politische Wille der Kommission und auch des Rates eine patentfreudnliche Richtlinie auf den Weg zu bringen. Schon mit Blick auf die großen Unternehmen. Für mich ist auch nicht nachvollziehbar, warum man die Bedenken des Mittelstandes an dieser Stelle einfach ignoriert hat.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Aber auch erst, als ca. 300 Antworten zuvor an MEPs und wohl auch MdBs geleitet wurden und somit der öffentliche Druck (auch in der Presse) bzgl. der Studie zu gross wurde..."
Moderator: Also wir haben noch zwei Fragen in der Warteschleife, können wir die noch drannehmen?
Günter_Krings: Manchmal muß man eben Druck machen, um etwas zu erreichen.
Günter_Krings: Ja, können wir gerne machen.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Nur welche Chancen haben die kleinen Unternehmen selbst wenn sie ein Patent besitzten? Die Anwaltskosten sind viel zu hoch als dass diese ihre rechte gegen Konzerne durchsetzen könnten... der Mittelständler wird, selbst mit Patent, in den finanziellen Ruin geklagt.. ist das wirklich der Schutz von dem die Befürworter der Patente sprechen?"
Günter_Krings: Patente sind notwendig bei technischen Erfindungen. Viele Mittelständlicher leben häufig nur von einem Patent und es ist für sie die einzige Möglichkeit sich gegen die Übernahme der Erfindung von großen Unternehmen zu wehren. Aber Software ist eben keine technische Erfindung. Und im Zweifel geht natürlich dem Mittelständler zuerst die Puste aus.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Wenn das Urheberrecht für Software ausrecht (Es gibt bereits die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (91/250/EWG), wieso bedarf es dann einer neuen Richtline zur Patentierung von Software? Die ist doch insofern völlig überflüssig. Ausser natürlich, die Software Patente sollen nicht nur die Software sondern auch die Idee, die hinter der Software steht, schützen und somit den Wettbewerb zwischen Unternehmen und verschiedenen Softwarelösungen einschränken und den Markt monopolisieren..."
Günter_Krings: Nimmt man den Namen der Richtlinie wörtlich, geht es dabei ja auch gar nicht um Softwarepatente, sondern um computerimplementierte Erfindungen. In vielen Bereichen liegt die Erfindung gerade darin, daß Software zum Einsatz kommt. Ich nenne hier nur mal als Beispiel ein softwaregestützes ABS-System bei PKWs. Dafür sind Patente auch sinnvoll und notwendig. Denn es gibt ja keinen Sinn, ein ABS-System nur deshalb nicht patentieren lassen zu können, weil es sich auf Software stützt. Nur hat man sich leider seitens des Rates und der Kommission nicht an den Titel gehalten, sondern eine Ausweitung vorgenommen.
Moderator: Frage von MINOS an Dr. Günter Krings:    "Vielen Dank für den Chat mit Ihnen ;)"
Moderator: Dem kann ich mich nur anschließen, es war wirklich sehr interessant, nochmal Danke an Sie beide :))
Pascale: Danke @Herr Henkel, dass Sie noch Zeit gefunden haben, die Fragen der Community zu beantworten. Danke auch nochmals an Herrn Dr. Krings.
Günter_Krings: Ich habe zu danken. Schließlich ist es kein einfaches Thema. Daher hat es mich gefreut, daß es doch so großen Anklang gefunden hat.
Pascale: Es ist ein wichtiges Thema, welches wir nicht außer Acht lassen sollten. Drücken wir die Daumen, dass es so nicht durch kommt bzw. das es noch verbessert wird.
Moderator: Und danke an die Mitleser und Mitfrager :) Einen schönen Abend an alle!
Pascale: Danke an Dhana für die Moderation.
: Moderator hat den Raum verlassen
Günter_Krings: Auch noch einen schönen Abend an alle von mir.