Chat-Transkript vom 14.06.2010

Daniel Caspary, Mitglied des Europaparlaments (EVP)

Thema: EU-Handelspolitik

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Moderator: guten Abend, Herr Caspary. Schön, dass sie sich Zeit für uns genommen haben. Ich werde heute abend den Chat moderieren.
Daniel_Caspary: Guten Abend - ich freue mich auf den Chat ...
Moderator: der Chat ist um 18 Uhr für die Community sichtbar...nach einer kurzen Vorstellung würde ich dann die Fragen aus der Community stellen
Daniel_Caspary: gerne ... und sehen wir, wer teilnimmt?
Moderator: das sehen wir nicht, aber die Fragen werden mit dem Namen des Users versehen.
Moderator: so, und da geht es auch schon los. Liebe Community, heute abend begrüßen wir Daniel Caspary, MdE, zum Thema EU-Handelspolitik
Daniel_Caspary: Guten Abend.
Moderator: nochmals guten Abend, Herr Caspary. Würden sie sich vielleicht in ein paar Sätzen kurz vorstellen?
Daniel_Caspary: Gerne. Daniel Caspary, 34, verheiratet, 2 Kinder ...
Daniel_Caspary: ... MdEP seit 2004. Mitglied im Ausschuß für Internationalen Handel (INTA) und dort Koordinator (Sprecher) der EVP-Fraktion.
Daniel_Caspary: Studierter Technischer Diplomvolkswirt, CDU-Kreisvorsitzender.
Daniel_Caspary: ... mehr Infos unter http://www.caspary.de/
Moderator: sie sind, wie sie sagten, seit 2004 MdEP. Was hat sie dazu bewogen, Politik auf Europaebene zu machen, anstatt in Landes-oder Bundesebene?
Daniel_Caspary: Europa war für mich wie für die allermeisten Menschen sehr weit weg ...
Daniel_Caspary: ... doch wer politische Verantwortung übernehmen möchte, der ist in Europa ganz gut aufgehoben ...
Daniel_Caspary: ...s chließlich nimmt Europa immer mehr Einfluß auf das Leben in unseren Städten und Gemeinden.
Moderator: können sie unseren Mitlesern erklären, welche Aufgaben der INTA hat, und welche Rolle sie selbst dabei spielen?
Daniel_Caspary: Und dann ergab sich die Chance, 2003 von der CDU nominiert zu werden. Und da habe ich mich dann gegen 3 Mitbewerber durchgesetzt.
Daniel_Caspary: Gerne ...
Daniel_Caspary: ... INTA ist der Außenhandelsausschuß des EP. Die EU ist heute mit 20% an den weltweiten In- und Exporten beteiligt und damit die größte Handelsmacht der Welt. Dieser gewachsene Einfluß bedeutet Herausforderung und Chance zugleich. Im Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) möchte ich mithelfen, die Globalisierung zum Wohle der Menschen in Europa und in den Ländern unserer Handelspartner verantwortlich mitzugestalten.
Daniel_Caspary: Als Koordinator der größten Fraktion im Ausschuß darf ich nun die europäische Außenhandelspolitik mitarbeiten.
Moderator: der INTA hat, wie man lesen kann, faktisch nur beobachtende und beratende Funktionen...sehen sie darin die optimale Ausnutzung der Möglichkeiten des Ausschusses, oder wünschen sie sich tiefergreifende Kompetenzen?
Daniel_Caspary: Dank des Vertrags von Lissabon sind wir nicht mehr nur beratend und beobachtend, sondern ohne eine Entscheidung des Parlaments kann in der Außenhandelspolitik nichts mehr beschlossen werden ...
Moderator: kommen wir nun zu den ersten Fragen aus der Community...
Daniel_Caspary: ... also beispielsweise bevor ein Freihandelsabkommen in Kraft tritt, muß das EP zustimmen - das ist ein enormer Machtzuwachs. Grundsätzlich kommen wir mehr und mehr in die neue Rolle eines Gestalters hinein.
Moderator: Frage von Euronymous an Daniel Caspary:    "Herr Caspary, viele Nationen wollen sich durch Exporte aus der Krise retten, droht uns nun auch dort eine Krise, ggf. sogar regelrechte Handelskriege?"
Daniel_Caspary: Die Sorge kann ich nachvollziehen. Die Erfahrungen der letzten 24 Monate seit Beginn der großen Krise zeigen m.E. nach jedoch, daß die Staaten sehr vernünftig miteinander umgegangen sind. Einen Handelskrieg befürchte ich daher nicht ...
Daniel_Caspary: ... im Gegenteil: der Abschluß beispielsweise des geplanten Freihandelsabkommens (FTA) zwischen der EU und Südkorea kann zeigen, daß auch in Krisenzeiten Handel funktionieren und für mehr Wohlstand sorgen kann.
Moderator: Frage von Jean Pitsch an Daniel Caspary:    "Ist die EU - gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten - gut genug gegen protektionistische Tendenzen gewappnet?"
Daniel_Caspary: Gewappnet sein kann man da nicht ... aber die EU versucht, beispielsweise im Rahmen der G20 und der WTO alles daran zu setzen, daß Protektionismus nicht wie in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die Krise verschärft. Da waren wir sicher nicht perfekt aber auch nicht schlecht.
Moderator: Frage von Euronymous an Daniel Caspary:    "Der Mehrheitsführer der US-Demokraten hat ein parteiübergreifendes Gesetz angekündigt, das China dazu zwingen soll, seine Währung zu reformieren. Demnach würden gegenüber Ländern, die ihrer "Währung nicht erlauben den Marktkräften zu folgen", Strafmassnahmen ergriffen, sprich Handelsrestriktionen verhängt werden. Halten Sie solch ein Gesetz für sinnvoll? "
Daniel_Caspary: Das Währungsproblem mit China ist tatsächlich vorhanden. Aber Schwierigkeiten mit China haben wir noch auf ganz anderen Feldern: Produktpiraterie, Marktzugang, Schwierigkeiten bei Direktinvestitionen ... da mal eine härtere Gangart anzuschlagen, ist sicherlich kein Fehler. Ob ein solches Gesetzt nicht nach hinten losgehen könnte, müßte man mal durchdenken ...
Daniel_Caspary: Aber was interessiert denn die User, die gerade Online sind?
Daniel_Caspary: alles OK in Europa?
Moderator: Frage von Jean Pitsch an Daniel Caspary:    "Hallo Herr Caspary, warum wird eigentlich in den deutschen Medien so wenig über Europapolitik berichtet? Namen wie Pöttering, Daul, Lehne, Reul etc. tauchen in der Zeitung nur selten auf. Schaffen wir uns da nicht ein Demokratiedefizit, wenn so wenig Infos über die EU-Politik vermittelt werden?"
Daniel_Caspary: @Jean Pitsch: da haben Sie sicher recht - aber in freien Demokratien müssen nunmal die Journalisten entscheiden, worüber Sie was berichten ... so frustrierend das mahcnmal ist ,,,
Moderator: Frage von Jean Pitsch an Daniel Caspary:    "Sollte die EU-Handelspolitik auch als Instrument zur Lösung handelsfremder Fragen (Umwelt, Soziales etc.) dienen oder wären Lösungsansätze über die multilateralen Umweltabkommen, die ILO etc. besser?"
Daniel_Caspary: ... vor allem ist das manchmal frustrierend, wenn über die faulsten Abgeordneten gut berichtet wird und die fleissigen in den Medien nicht stattfinden ...
Daniel_Caspary: @Jean Pitsch: Besser wäre es, wenn die einzelnen Politikbereiche selbst ihre Politiken durchsetzen könnten. Dass die Handelspolitik da oft unterstützen kann, ist außer Frage. Aber wie zurecht gefragt: man sollte Handelspolitik nicht überfrachten.
Moderator: sie nutzen das Internet und insbesondere Social Networks, um ihre Arbeit und ihre Person zu repräsentieren...kleine Frage aus Eigennutz: haben sie von unserer Community bereits vor der Chatanfrage gehört?
Daniel_Caspary: Ja klar ...
Daniel_Caspary: ... und ich würde mich freuen, wenn das Internet mehr und mehr zur politischen Willensbildung genutzt würde ...
Daniel_Caspary: ... doch leider klappt das noch nicht so ganz - ist zumindest meine Erfahrung.
Moderator: wird sich die Politik aufgrund der ungeheuren Informationsflut des Internets verändern?
Daniel_Caspary: Sicherlich. Direkte Beteiligung wird leichter werden. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Moderator: wie kann man die Zusammenarbeit des INTA mit der WTO beschreiben? Welche Barrieren bestehen, in welchen Feldern arbeiten sie eng zusammen?
Daniel_Caspary: Mit der WTO arbeiten wir sehr gut zusammen ...
Daniel_Caspary: ... es gibt regelmäßige Austausche mit Vertretern der WTO, neulich war auch WTO-Generalsekretär Pascal Lamy bei uns zu Gast ...
Daniel_Caspary: ... desweiteren nehmen wir regelmäßig an WTO-Konferenzen als Beobachter teil. Was wir versuchen ist, gewisse demokratische Strukturen in der WTO zu sichern ...
Daniel_Caspary: ... auch da sind wir auf einem guten Weg. Ansonsten wäre das EP und der INTA sicherlich gut beraten, wenn wir nicht zu sehr in die Details einsteigen, sondern uns immer wieder deutlich machen, ...
Daniel_Caspary: ... dass die Kommission verhandel und Rat und Parlament steuern und kontrollieren ... also Gewaltenteilung nicht vergessen.
Moderator: Frage von *Mensch* an Daniel Caspary:    "Wie sieht es denn mit dem EU-Binnenhandel aus? Sollder weiter vereinfacht werden?"
Daniel_Caspary: @*Mensch*: Ich fände das sehr gut - die Menschen profitieren enorm vom Binnenmarkt, und es gibt dort noch etliche Handelsschranken, die unnötig den Menschen das Leben schwermachen.
Moderator: Frage von Jean Pitsch an Daniel Caspary:    "Wie schätzen Sie die Chancen von Deutsch als Arbeitssprache der EU ein? Läuft die EU nicht Gefahr, mittelfristig zu einem Elitenclub zu werden, in dem nur mitreden kann, wer Englisch spricht?"
Daniel_Caspary: Deutsch ist doch Arbeitssprache ...
Daniel_Caspary: ... bei uns im EP wird derzeit alles in 22 Sprachen übersetzt: Sitzungen und Dokumente ...
Moderator: vielleicht meint der User, dass die Deutsche Sprache im alltäglichen Gebrauch eher unterrepräsentiert ist...
Daniel_Caspary: ... hier übrigens die Plenartagung in allen Sprachen: http://www.europarl.europa.eu/wps-europarl-internet/frd/live/live-video?language=de ...
Daniel_Caspary: ... und die Verwendung der Sprache liegt doch an jedem selbst: ich habe recht wenig Verständnis dafür, wenn deutsche Kollegen im Parlament, im Rat oder in der KOM nicht in ihrer Muttersprache reden und schreiben.
Moderator: Frage von Euronymous an Daniel Caspary:    "Was halten sie davon wie die ACTA Verhandlungen gelaufen sind. War die Geheimhaltung wirklich nötig?"
Daniel_Caspary: Da helfen keine Gesetze und Vorschriften, sondern da müssen wir einfach selbstbewußter auftreten. Die Diskussion in der Öffentlichkeit hat aus meiner Sicht mit der Realität nur begrenzt zu tun: wer dieses Thema immer wieder in die Medien bringt, hat scheinbar keine anderen Themen drauf.
Daniel_Caspary: @Euronymous: die ACTA-Verhandlungen sind ja noch am Laufen. Im Grund geht es darum, wie wir geistiges Eigentum und Patente besser als bisher weltweit schützen können. Für unsere europäische Industrie und Dienstleistungswirtschaft enorm wichtig ...
Daniel_Caspary: ... und dass Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden und nicht jeder gleich seine Verhandlungspositionen offen auf den Tisch legt, ist doch normal, oder?
Daniel_Caspary: Wenn dann die Verhandlungen abgeschlossen sind, dann werden wir in aller Ruhe prüfen, ob die Kommission da im Interesse der Europäer Ergebnisse erreicht hat oder nicht ...
Daniel_Caspary: ... davon werden wir dann die Zustimmung oder Ablehnung abhängig machen. Jetzt da ein riesen Theater zu veranstalten, wie das manche Kollegen aus Profilneurose heraus zu machen scheinen, halte ich für wenig zielführend. Das bringt zwar kurzfristig Schlagzeilen aber keinen Gewinn für die Menschen.
Moderator: können sie für die Community kurz erläutern, wer mit wem über die ACTA verhandelt?
Daniel_Caspary: Meines Wissens nach folgende Länder: Teilnehmer sind: USA, KAN, EU, Schweiz, Japan, Korea, Singapur, Australien, Neuseeland, Mexiko, Jordanien, Marokko und die VAE.
Moderator: welche Position vertritt die EU, und wie sind die Verhandlungen aus der EU-Perspektive zu bewerten?
Daniel_Caspary: Für eine Bewertung ist es meiner Meinung nach noch zu früh ... die Verhandlungen laufen ja noch. Eine gute Zusammenfassung über die EU-Position findet man auf der offiziellen Website der KOM: http://ec.europa.eu/trade/creating-opportunities/trade-topics/intellectual-property/anti-counterfeiting/ Grundsätzlich geht es darum, unsere Unternehmen vor Produktpiraterie und Verletzung geistigen Eigentums besser als bisher zu schützen.
Moderator: Frage von Euronymous an Daniel Caspary:    "Ist es nicht einfach so, das die heutige Generation eine gänzlich andere Auffasung von "Geistigen Eigentum" hat, und mit Verträgen wie ACTA eine, ich will nicht sagen überholte, aber doch konservative Ansicht dazu, durchgedrückt werden soll, die einfach an der heutigen lebenswirklichkeit vorbeigeht?"
Daniel_Caspary: @Euronymous: Tolle Formulierung, aber was meinst Du damit? Daß Internettauschbörsen spannend sind, ist klar. Aber deshalb kann man doch bitte trotzdem Maschinenbauteile, Erfindungen etc schützen, oder?
Moderator: leider ist es schon fast 19 Uhr und somit ist die Chat fast beendet. Herr Caspary, wir bedanken uns sehr herzlich für ihre Zeit und ihre Antworten
Daniel_Caspary: Sehr gerne - vielen Dank für das Gespräch ...
Daniel_Caspary: ... und weiter alles gute für die hilfreiche Arbeit!
Moderator: wir hoffen, es hat ihnen bei uns gefallen. Einen schönen Abend noch ;)
Daniel_Caspary: Danke - gleichfalls!