Initiative Sozialistsches Forum

Die ISF ist ein Arbeitskreis unabhängiger Linkskommunisten, der sich an der kritischen Theorie orientiert und ein kategorisches Programm der Abschaffungen vertritt. Sie will helfen einen Zustand abzuschaffen, in dem, wie früher alle Wege nach Rom, so heute alle Wege zum Staat führen.


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Ein Agitationsversuch

Der Kommunismus den wir wollen

"Die Kritik ist keine Leidenschaft des Kopfes,
sie ist der Kopf der Leidenschaft."

Karl Marx

"Die Kritik ist die geistige Antizipation der Revolution."
Hans-Jürgen Krahl

Die Initiative Sozialistisches Forum (ISF) ist ein Arbeits- und Aktionskreis unabhängiger Linkskommunisten, der sich an Marx, am Rätekommunismus und an der Kritischen Theorie orientiert.

Die ISF tritt für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft ein. Sie bezweckt daher ein kategorisches Programm der Abschaffungen. Das will heißen, daß sie weniger marxistisch als vielmehr materialistisch denkt und handelt: im Sinne der marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“, nicht sozialistischer Politik. Sie will damit helfen, eine verkehrte Gesellschaft zu revolutionieren, in der, wie früher alle Wege nach Rom, so heute alle Wege hinein in den Staat führen.

Die ISF ist nicht konstruktiv oder gar dekonstruktiv, nicht ökologisch, pazifistisch oder reformistisch gestimmt: Ihre Praxis ist nicht die Politik, sondern die materialistische Kritik, insbesondere die Kritik der deutschen Ideologie und ihrer Konsequenzen: Antisemitismus und Antizionismus. Ideologiekritik, die intellektuelle Aktion schwacher Kräfte, ist jene Kritik gesellschaftlicher Erkenntnis, die auf die Abschaffung der Spaltung von geistiger und körperlicher Arbeit zielt. Die Kritik der Ideologie, die Kritik der deutschen Ideologie vor allem, als des notwendig falschen Bewußtseins von Ausbeutung und Herrschaft, von Akkumulation und Vernichtung bezweckt, den Verblendungszusammenhang zu brechen und die Kritik zur Krise zu radikalisieren. Unter „Linken“ nennt man so etwas gerne „antideutsches Banausentum“, „neue deutsche Wertkritik“, gar: „negativistischen Ableitungsmarxismus“. Denn an den Skandal, daß die Menschen sagen, was sie wissen, aber nicht wissen, was sie sagen, hat man sich längst gewöhnt. Vor allem in Deutschland, wo, nach dem Umschlag der bürgerlichen Gesellschaft in Barbarei, Massenvernichtung und Volksgemeinschaft, keine Lüge mehr ausgesprochen wird, die nicht den Status von Wahrheit im höheren und „eigentlichen“ Sinn beanspruchte.

Die ISF weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird – aber sie weiß genau, daß es anders werden muß, soll es jemals besser werden können.

Die ISF vertritt einen Materialismus, der, durch die Kritische Theorie reflektiert, die Bornierungen des historischen Marxismus als der Legitimationswissenschaft proletarischer Bewegung wie staatskapitalistischer Herrschaft – und d. h. das klassische Verhältnis von Theorie und Praxis – in die Konstellation von Kritik und Krise transformiert. Die Formierung dieses Materialismus greift auf die Trümmer der Studentenbewegung dort zurück, wo, sei es in hegelmarxistischer, sei es in rätekommunistischer Perspektive, versucht wurde, den historischen Marxismus zu überschreiten. Diese Überschreitung kann nur zugleich bedeuten, jeden „Marxismus“ zu verwerfen, der nicht in der Reflektion auf den Nazifaschismus gründet. Die deutsche Barbarei ist so, ex negativo, das Movens authentischer Revolution. Der kommende Materialismus wird daher antideutsch sein, oder er wird nicht materialistisch sein.

Die Positionen und Perspektiven der ISF wurden zuerst 1983 in Die Kritik zur Krise radikalisieren! und zuletzt in Das Konzept Materialismus dokumentiert, aber auch in ihren Büchern und weiteren Schriften.






Die Positionen der ISF

Das Konzept Materialismus

"Statt unnütze Systeme für das Wohl der Völker aufzustellen,
will ich mich darauf beschränken, die Gründe ihres Unglücks zu untersuchen."

Giammaria Ortes, Della Economia Nazionale (1774),
zitiert nach Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie (1867)

"Hier handelt es sich nicht mehr um ein Problem, das es zu lösen gilt,
hier handelt es sich ganz einfach um einen Feind, der geschlagen werden muß."

Karl Marx an Vera Sassulitsch (1881)

Wunder gibt es immer wieder. Im Falle des Kapitalismus ereignen sie sich täglich und stündlich. Das Kapital selbst ist ein einziges blaues Wunder und ein böses Rätsel: das sich selbst verschleiernde Geheimnis der in sich verkehrten Gesellschaft. Der allseitige Zusammenhang von nichts als freien Willen, von nichts als Subjekten, stellt zugleich sich dar als totale Vergesellschaftung nach Maßgabe der Akkumulation des Kapitals. Diese Totalität bestimmt sich in allen ihren Elementen so, “als ob” das Ganze diktatorisch seinen Teilen vorgeordnet wäre; und doch verhält es sich so, daß es aus weiter nichts besteht denn aus eben diesen Teilen. Das Ganze ist die Summe seiner Elemente, die es ins Integral seiner Autonomie überschreitet. Das Erstaunliche daran, das zutiefst Befremdliche, ist nicht, wie dies Ganze, das das bestimmt Falsche ist, funktioniert, sondern warum es überhaupt zu funktionieren vermag. Denn daß der Kapitalismus überhaupt funktioniert, daß die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und daß die Herrschaft des Menschen über den Menschen als nichts denn Anthropologie erscheint, daß, wie die Akkumulation des Kapitals, so die Zentralisation der Souveränität mit der unerbittlichen Präzision eines Automaten voranschreitet, daß die Einheit der falschen Gesellschaft durch die Krisen der Verwertung und der sozialen Integration und daß ihre fatale Synthesis durch die permanente Produktion des gesellschaftlichen Elends nicht nur keineswegs von Grund auf erschüttert, sondern, ganz im Gegenteil, durch diese Krisen hindurch ständig aufs Neue an Schwung und Durchschlagskraft gewinnt, daß schließlich keine historische Erfahrung, schon gar nicht die des Nazifaschismus, denkbar ist, die dieses zum autonomen System wie zum autarken Subjekt formierte Kapital nur irgend in Verlegenheit stürzen würde – darin besteht das ganze Rätsel dieser widersinnigen Produktionsweise, ihr Geheimnis und ihr ans Okkulte grenzende Mysterium. Kein Wunder daher, daß es Ökonomen gibt, die sich diese gesellschaftliche Veranstaltung nur als Ergebnis der mildtätigen Intervention übersinnlicher Kräfte denken können, heißen sie nun “unsichtbare Hand” oder Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, kein Wunder auch, daß es Soziologen gibt, die sich ihren Begriff mühsam aus Arbeit und Interaktion zusammenklauben müssen, kein Wunder schließlich, daß der sogenannte “Marxismus” aller Schattierungen und Fraktionen nichts ist als der potenzierte Abhub von Ökonomie und Soziologie: kritisch auftrumpfende Affirmation. Im “Marxismus” hat das bedingungslose Bedürfnis nach Theorie über den materialistischen Begriff gesiegt, den die zu begreifende Sache von sich selber zu haben hätte: den des objektiven Widersinns, dessen theoretischer Begriff einzig in seiner praktischen Abschaffung besteht. Denn die Einheit dieser sinnlich-übersinnlichen Produktionsweise gründet auf Atomisierung, die gesellschaftliche Synthesis, die sie schafft, fußt auf begriffsloser Vielheit, die totalitäre Zusammenfassung des Besonderen zu einem alles andere als abstrakt Allgemeinen speist sich aus dem gesellschaftlichen Charakter des Besonderen selbst. Das böse Wunder der kapitalistischen Produktionsweise, das Rätsel, das es macht, daß die Produktion des Kapitals mit der Reproduktion des kapitalistischen Produktionsverhältnisses (wie vermittelt auch immer, so doch jedenfalls) identisch ist, das Geheimnis, daß kein Widerspruch zum Antagonismus sich steigern kann, sondern auf einfachen Gegensatz reduziert wird – darin besteht der Gegenstand der von Karl Marx, Alfred Sohn-Rethel, Theodor W. Adorno u.a. formulierten materialistischen Idee der

Kritik der politischen Ökonomie.

Denn Ausbeutung und Herrschaft hatte es immer schon gegeben. Aber niemals war eine Organisation der Gesellschaft auch nur für denkbar gehalten worden, wie sie dann mit der bürgerlichen Revolution und der Installation des Kapitals als des Α und Ω des Ganzen in die Welt kam. Die Kapitalisierung der Gesellschaft wurde machbar, weil sie undenkbar war. Sie wurde Praxis, weil sie im Jenseits von Theorie und Philosophie lag. Sie wurde zum Alltag, weil sie dies Jenseits brachte, gerade weil ihr die Transsubstantiation der nützlichen Dinge in Ware & Geld & Kapital so mühelos gelang wie noch nie einer Religion die Verwandlung des Weins in das Blut Christi: Eine Gesellschaft, die sinnliche, nützliche Dinge in Geld und damit abstrakten Reichtum so verwandeln kann wie nur Jesus das Wasser in den Wein, eine Gesellschaft, die zwar verkehrt ist und so falsch wie alle ihre Vorläufer, deren synthetisches Prinzip sich jedoch durch diese Verkehrung hindurch auf sich selbst bezieht, eine Gesellschaft, die zwar so unwahr und falsch war wie die Geschichte, aus der sie entband, deren Falschheit jedoch als die dogmatisch geltende Wahrheit ihrer selbst autoritär sich bezeugt – eine Gesellschaft mithin, die es irgendwie fertig bringt, ihre logische Unmöglichkeit als historisch praktische Wirklichkeit zu setzen. Und als gesellschaftspraktische, alltägliche Wirklichkeit nicht in einem spirituell verschwiemelten Sinne, wie es die Rede vom “Prinzip” nahelegt, sondern in der genauen Bedeutung, daß die unmittelbare physische Selbsterhaltung des Individuums und die gesellschaftliche Reproduktion des verkehrten Ganzen als Kapital unmittelbar und unvermittelt in der dinglichen Realabstraktion des Geldes greifbar auf der Hand liegt. Im Geld als der ersten, so sinnlich gegebenen wie unmittelbar erscheinenden Form des Kapitals sahen Karl Marx & Genossen denn auch das aufzuklärende Geheimnis der gesellschaftlichen Synthesis, das Realparadox also, das sie mit den Namen

Wert & Realabstraktion

belegten. Für Marx, Adorno & Genossen ist “Wert” daher kein Begriff, schon gar keiner im alltagsideologischen oder bürgerlich-wissenschaftlichen Sinne des Wortes, kein Begriff, der ein Verhältnis zur unter ihm befaßten Sache dergestalt unterhielte wie eine Schublade zu ihrem wie immer disparaten Inhalt. “Wert” ist vielmehr bestimmt als der Name eines Etwas, dessen gesellschaftlich spezifische und dessen uneinholbar besondere Qualität in nichts anderem als eben darin besteht, nicht denkbar zu sein, und das heißt: nicht an sich selbst und also für andere nach den Maßgaben humaner Vernunft intelligibel zu sein, daher ein selbstbezügliches Verhältnis absolutistischer Selbstbegründung und Selbstsetzung zu sein. Das, was “Wert” ist, besticht durch seine Unableitbarkeit, besticht insbesondere durch seine Unableitbarkeit aus Arbeit. (Der Wert ist nicht, wie die Marxismen glauben machen wollten, die entfremdete Selbstdarstellung der Arbeit). Nicht intelligibel, nicht theoretisierbar und also nur ideologisierbar ist der Wert, weil kein vernünftiger Grund – es sei denn ein geschichtsphilosophischer: eben das ist dann “Marxismus” als Systemphilosophie – dafür angegeben werden kann, daß sich die menschliche Gattung in den Selbstwiderspruch ihrer Spaltung in Herrscher und Beherrschte, Ausbeuter und Ausgebeutete hat stürzen sollen, weil kein Satz der Vernunft beigebracht werden kann, der die Spaltung der Menschheit in Individuen, die nur phänomenal Mensch sind, und Subjekte, die es auch funktional sind, zu rechtfertigen vermöchte, kein Satz, der, “marxistisch” gesprochen, die Spaltung in konkrete Zeit und “gesellschaftlich notwendige durchschnittliche Arbeitszeit” begreifbar machte. Nicht intelligibel, nicht theoretisierbar, also nur ideologisierbar ist der Wert, weil er nichts anderes darstellt als die logische Kategorie der Vermittlung in einem gesellschaftlichen Zustand des totalen Antagonismus und der absoluten Vermittlungslosigkeit, eine Kategorie der gesellschaftlichen Objektivität und damit eine gesellschaftlich objektive Kategorie: Vermittlung als Ding, gesellschaftliche Synthesis als Sache, paradoxale Einheit, die im Geld materialisiert und im Kapital zum Prozeß wird. “Im geraden Gegensatz zur sinnlich groben Gegenständlichkeit der Warenkörper geht kein Atom Naturstoff in ihre Wertgegenständlichkeit ein”, schreibt Marx im Kapital, und nichts anderes meint die reine Gesellschaftlichkeit des Werts als die bestimmte Qualität nützlicher Dinge, die im gesellschaftlichen Zustand der Spaltung der Gattung erzeugt wurden und diese ihre Konstitution in Wert, Geld und Kapital als ihr Kainsmal hervorkehren, daß sie, anders ausgedrückt, in ihrer Materialität wie zur paradoxalen “Erscheinungsform von Schwere” (Marx) so zur konkreten Darstellung von Ausbeutung und Herrschaft werden. Daraus folgt, daß “Wert” allererst keine ökonomische Kategorie ist, daß der unter den “Marxisten” üblichen ökonomischen Reduktion des Wertbegriffs zu widersprechen ist: “Wert” bezeichnet das Etwas der Vermittlung durch die Spaltung hindurch, das die Identität von Ausbeuten und Herrschen erst als die gleichursprünglichen Dualismen von Wertform und Rechtsform, von Ökonomie und Politik, von Kapital und Staat setzt. (Der “Überbau” ist daher keine “Ableitung” der “Basis”, sondern Ausdruck der Verdoppelung des Werts in “Basis” und “Überbau”). “Gesellschaftlichkeit” bedeutet dem Materialismus daher nicht, wie der Soziologie, einen leeren Relationsbegriff, sondern meint die bestimmte Qualität von Gesellschaft, d. h. ein kategorisches Urteil. Der Charakter der Begriffe, in denen dies Urteil sich expliziert, verweist darauf, daß die gesellschaftliche Abstraktion vom Konkreten eine Qualität des Konkreten selber ist, daß also der “Gebrauchswert” im “Tauschwert” nur die ausbeuterische und herrschaftliche Qualität seiner eigenen Produktion sich selbstnegatorisch als Quantität entgegenstellt. Weil das Wesen dieser Gesellschaft das Unwesen ist, weil die erste Bestimmung dieses Unwesens darin besteht, erscheinen zu müssen, weil diese Erscheinungsform nur so beschaffen sein kann, daß die Qualität des Unwesens zur Quantität einer unwesentlichen Sache sich verkehrt, weil also das Herrschen und das Ausbeuten nur in den Formen von Recht und Geld, von Souveränität und Kapital als das Gegenteil, und genauer: als die Aufhebung seiner selbst erscheinen kann, darum ist der “Wert” erst im Zusammenhang von Realabstraktion in seiner gesellschaftlichen Bestimmtheit gefaßt. Darstellung also der bestimmten Qualität von Gesellschaft, in der produziert wird, als dingliche, als quantifizierte und also quantitative Eigenschaft der Produkte selbst: Dies “Unausdenkliche” des Werts ist, als eine reale, sich aus sich selbst konkretisierende Abstraktion, das gesellschaftlich Herrschende und dogmatisch Wirksame: das synthetische Prinzip. Derart bestimmt sich der Gegenstand der materialistischen Kritik der politischen Ökonomie selbst – daß sie etwas zu denken hat im genauen Bewußtsein dessen, daß sie es unmöglich wirklich wird denken können. So wiederholt sich das Realparadox der totalen Vergesellschaftung im Denken. Und so führt es das Denken auf das Dilemma, mit dem Begriff, der doch das unausweichliche Gesetz des Denkens ist, gegen den Begriff andenken zu müssen, weil die Sache des Begriffs und der Begriff der Sache heillos auseinandergetreten sind. Karl Marx und Genossen erkennen, daß, die Sache unter den Begriff zu zwingen, auf nichts anderes hinausläuft als den Begriff der Sache zu ideologisieren, darauf eben, die Vernunft des Denkens in die an sich unvernünftige Sache hinein zu setzen, das heißt nichts anderes, als die Sache, im genauen psychoanalytischen Sinne, zu rationalisieren. Denn, logisch betrachtet, ist der Kapitalismus

eine ganz unmögliche Produktionsweise.

Als gesellschaftspraktisches Paradox, und das heißt: als objektiver Widersinn, widersetzt sich das Kapitalverhältnis allen Mühen des menschlichen Erkenntnisvermögens, es unter die Bestimmung der Vernunft zu setzten: Nicht nur, daß nicht einzusehen ist, warum die sinnlich so verschiedenen und unvergleichlichen Dinge des Lebens überhaupt unter den gesellschaftlich einheitlichen Charakter der Ware gezwungen werden können, nicht nur, daß zudem nicht zu verstehen ist, daß dieser ihr eigener gesellschaftlicher Charakter zur Sache wird und in der dinglichen Gestalt des Geldes ihnen direkt sich konfrontiert, nicht nur, daß schließlich nicht zu begreifen ist, warum diese dingliche Gestalt den nützlichen Dingen keineswegs gewalttätig und als von außen zugefügte Entfremdung entgegentritt, sondern ihnen vielmehr selbst als die Bedingung der Möglichkeit ihrer eigenen Existenz als eben sinnlicher Dinge so nachhaltig innewohnt, daß sie diese in ihrer dinglichen Natürlichkeit nachgerade konstituiert – nein: nicht allein, daß die Abstraktion von den Dingen selbst als sinnliches Ding, als Geld, und damit als gesellschaftliche, als Realabstraktion auftritt, nicht allein, daß überdies diese Abstraktion darin ihr eigenes Leben hat, daß sie sich durch die zu Gebrauchswerten geformten Dinge hindurch immer nur auf sich selbst bezieht, nein: als genügte all dies noch nicht, um den Kapitalismus als eine logisch unmögliche, praktisch jedoch wirkliche Organisationsweise menschlicher Produktion und Reproduktion dem Erkenntnisvermögen definitiv zu entziehen, setzt sich diese Realabstraktion derart in einen autistischen Bezug zu sich selbst, daß sie darüber – als Kapital – autark und, wie Karl Marx 1867 stöhnte, als

“automatisches, in sich selbst prozessierendes Subjekt”

von ihren historischen Voraussetzungen sich emanzipiert. Die zum Kapital formierte Gesellschaft hat das Wirklichkeit werden lassen, was die vorbürgerlichen Jahrhunderte unter dem Namen “Gott” vergeblich einer Ableitung durch Vernunft hatten unterwerfen wollen – mit dem Unterschied allerdings, daß “das höchste Wesen” als Inbegriff des Unwesens sich zeigt. Es ist diese “Struktur”, die aber keine Struktur ist, sondern “Abstraktion in actu”, d. h. der dynamische Selbstbezug der realen Abstraktion, die der Materialismus von Karl Marx mit den Namen Wert und Kapital belegte, das heißt ein zum Ding inkarniertes gesellschaftliches Verhältnis, das im Rückbezug auf eben sich selbst vom Ding zum Subjekt sich fortbestimmt. Der Wert und das Kapital sind daher, dem marxschen Materialismus zufolge, keine Begriffe, die eine Sache unter sich begriffen, keine theoretischen Bestimmungen also, die eine dieser Sache etwa immanente Vernunft ausdrückten, sondern sie sind bloß Namen, die etwas der Vernunft zutiefst Widerstreitendes bezeichnen, das heißt das Widervernünftige an sich und für sich. Weil der Gegenstand, die zum Kapital formierte Gesellschaft, selbst es ist, der Theorie als Erkenntnisweise einer subjektiven Vernunft, die in objektiver sich anschaute, nach Form und Inhalt sabotiert, darum transformiert sich das materialistische Erkenntnisinteresse zur “Kritik der politischen Ökonomie”, verläßt die Theorie und geht von ihr, deren Schicksal als ein mit Notwendigkeit verkehrtes Bewußtsein von Gesellschaft zu nichts als Ideologie voranschreitet, zur Kritik über. Wie gesagt: Einmal nur logisch betrachtet, ist das Kapital eine unmögliche Angelegenheit. Man versteht nicht, wie so etwas überhaupt in die Welt kommen konnte, und schon gar nicht, warum so etwas in ihr immer noch sich breit macht. Seine schlichtweg niederschmetternde Durchschlagskraft zieht das Kapital nicht allein aus der epochalen Gewalt, die es entbindet, nicht allein aus der säkularen Macht, mit der es die Gesellschaft als totalen Zusammenhang der Herrschaft und der Ausbeutung setzt, nicht allein aus der totalisierenden Bewegung, die die Akkumulation um der Akkumulation willen als das globale Schicksal verwirklicht, und schon gar nicht allein aus den Schlichen und Machenschaften der Reichen und der Machthaber. Es zieht seine Gewalt aus der fetischistischen Evidenz seiner selbst als eines Realparadoxons. Es gewinnt seine Macht aus der vollendeten Absurdität seiner selbst als der vollendeten Widervernunft: Credo quia absurdum. So gewinnt das Kapital seine epochale Durchschlagskraft, daß es in einem die ihm widerstreitenden politökonomischen Interessen und die ihm widersprechende philosophische Vernunft dadurch in seinen Bann schlägt, daß das logisch Unmögliche zugleich das gesellschaftlich Wirkliche darstellt. Zwar kann davon, wie die Philosophie der Aufklärung noch träumen mochte, daß das Wirkliche vernünftig und das Vernünftige wirklich ist, allseits keine Rede sein – das wäre ja der Kommunismus als die durchgeführte staaten- und klassenlose Weltgesellschaft –, aber davon, daß Theorie und Praxis im Zeichen der vermittlungslosen Einheit von Widervernunft und Wirklichkeit in den Zwangszusammenhang von

Warenform, Denkform und Fühlform

gebannt sind. Der Materialismus hat sich, eingespannt in einen zur Legitimationswissenschaft verdinglichten Marxismus, endlosen Spekulationen über das Verhältnis von Sein und Bewußtsein und hanebüchenen Erörterungen über die sogenannte “Grundfrage der Philosophie” hingegeben. Darin war der Materialismus – ausweislich etwa der Philosophie Lenins – in sein bürgerliches Stadium gebannt und auf ein vorkritisches Niveau festgelegt; und entsprechend trostlos, das heißt ohne jeden inneren Zusammenhang mit der Kritik der politischen Ökonomie, gestaltete sich der Begriff dessen, was unter “notwendig falschem Bewußtsein”, was unter Verblendungszusammenhang und was unter Ideologie vorzustellen sei. Weil Marxismus als zutiefst antikritische Systemphilosophie allein zur natürlichen Beute linksbürgerlicher Intellektueller taugen konnte, wurde unterm Alibi eines Primats des Seins übers Bewußtsein und der “Ableitung” des Bewußtseins aus dem Sein tatsächlich nur die klassisch bürgerliche Autonomie des Geistes verteidigt, wenn auch in Gestalt der Lehre von der Partei und der vom Klassenbewußtsein, daß diese Intellektuellen “von außen” ins Proletariat “hineinzutragen” hätten. Dagegen gilt es, die Erkenntnis- und also ideologiekritische Implikation der Kritik der politischen Ökonomie selbst zu entfalten, das heißt eben den Zusammenhang von Warenform und Denkform, von ökonomischer und theoretischer Vergesellschaftung. Nicht nur, daß der ökonomistischen Reduktion des Begriffs vom Wert zu widersprechen ist, nicht nur, daß Wert als objektive Kategorie der Konstitution von Ökonomie und Politik zu fassen ist, nicht nur, daß daher die marxsche Wertformanalyse als Genesis von Subjektform und Rechtsform in psychologiekritischer wie staatskritischer Perspektive zu lesen ist – vielmehr ist der Nexus von Sein und Bewußtsein als der von Warenform und Denkform zu fassen, das heißt das Denken als ein an sich selbst ideologisches Phänomen, in dessen Kategorien und Begriffen das, was Wert als Synthesis ist, nur erscheinen kann. Das Denken ist Erscheinung eines als das Unwesen zu dechiffrierenden Wesens, das ohne diese seine Erscheinung nicht sein könnte: Es ist die Bestimmung dieses Wesens, zu erscheinen, um zu sein. Das Denken ist keine “Ableitung” minderer Güte und Qualität – es ist Erscheinung des Wesens in seiner sich an sich selbst verhüllenden Qualität. Es produziert “notwendig falsches Bewußtsein”, weil keine andere Form des Bewußtseins einer in sich verkehrten Gesellschaft zu haben ist, weil anders denn notwendig falsch der Wert als negative Synthesis nicht in Gedanken zu bringen ist, weil anders der Wert als Inbegriff der Identität von Identität und Nichtidentität nicht in einen Kopf passen mag. Der Widerspruch gegen die ökonomistische Reduktion des Wertbegriffs ist daher zugleich der Widerspruch gegen die pseudorationalistische Redaktion dessen von Ideologie und damit Einspruch gegen das zutrauliche Mißverständnis, Aufklärung bedeute Information und Theorie statt Destruktion und Kritik. Denn das bürgerliche Subjekt – und die Rede vom “bürgerlichen Subjekt” ist selbst schon Tautologie, die bezweckt, die Form des Subjekts als Zwangsjacke des Individuums zu retten – pocht, wie auf die Autonomie des Geistes, so auf die Autarkie seines Gefühlslebens. Der ganze Stolz dieses Subjekts, das Cogito, bedeutet nicht nur, daß es denkt, sondern daß es ein Ich sein soll, das diese intellektuelle Operation ins Werk setzt. Aller Aufklärung durch Freud und die Psychoanalyse zum Trotz behauptet das Subjekt den Geist in sich und negiert dies Subjekt die Natur in sich. Das Ich jedoch ist nicht die Vermittlungsinstanz zwischen Gesellschaft und Trieb, es ist, als identitäre Instanz, das dem Individuum introjizierte juristische Subjekt, das heißt eben die Fühlform, die zur Rechtsform paßt. Das Ich ist der Punkt, in dem die “Gesetze der Warennatur” in den “Naturinstinkt der Warenbesitzer” umschlagen. Es ist dies Subjekt, daß die im Kapital gesetzte Spaltung der Gattung vom gesellschaftlichen Schicksal zur bewußten Tat radikalisiert und im Nazifaschismus als dem

Untergang des Werts in Barbarei

vollstreckt. Das Kapital als eine zwar logisch unmögliche, allerdings praktisch wirkliche Vergesellschaftungsweise kehrt seinen inneren Widerspruch in der Spaltung der Gattung heraus. Hat es in der Spaltung der Menschheit in Ausbeuter und Ausgebeutete, in Herrscher und Beherrschte den Unterschied zwischen funktionaler und bloß phänomenaler Menschheit an sich schon gesetzt, so bestimmt das notwendig falsche Bewußtsein und ergo die notwendig falsche Praxis der Subjekte diesen Unterschied fort zur Spaltung der Gattung in Übermenschen und Unmenschen. Unter der Form des Subjekts ist das Individuum notwendig antisemitisch und rassistisch. Wert – die dynamische, selbstbezügliche, “in sich selbst prozessierende” der Identität von Identität und Nicht-Identität seiner selbst – setzt in seiner erscheinenden Oberfläche, der Zirkulation, Individuen als Subjekte und setzt sie als solche voraus, weil nur in der Rechtsform, weil nur in Gestalt vertraglich geregelter Aneignung und wechselseitiger Enteignung, weil nur in Form des freien, gleichen und gerechten Tausches die Akkumulation des Kapitals sich vollziehen kann. Das heilige Institut dieses Tausches, das Privateigentum, die Form, in der er geschieht, das Recht, die Instanz, dessen Gewalt ihn bewacht, der Staat, setzen das Subjekt unter den Zwang der Identität – einer Identität allerdings, die ihre Substanz nicht an sich selbst hat, eine Identität daher, die nichts anderes ist als Funktion der Akkumulation. Aber die Identität des Werts mit sich selbst im Geld hängt ab von der Nicht-Identität des Werts mit sich selbst im Kapital: Diese Nicht-Identität ist die Krise in Permanenz: Vergegenständlichung seiner selbst im Geld, Entgegenständlichung seiner selbst in die Arbeitskraft als variables Kapital – jede dieser Transformationen ist Krise im allgemeinen Horizont des totalen Zusammenbruchs. Der Untergang des Werts in Barbarei ist so zugleich die gesellschaftliche Darstellung des Inbegriffs des Wertes und das Resümee seiner historischen Karriere von der Spaltung der Gattung zur Vernichtung der Abgespaltenen. Der revolutionäre Materialismus oder auch:

der kritische Kommunismus

der Gegenwart hat die Erfahrung der Shoah und hat die Geschichte des Nazifaschismus nicht einer, wie immer auch kritisch gemeinten Gesellschaftstheorie anzuhängen und anzukleben, sondern er hat diese Erfahrung vollendeter Negativität ins das Innerste seiner Kategorien aufzunehmen und darin als auf ihren Nerv zu reflektieren. Jede Marx-Lektüre, jeder “Marxismus”, der sich weigert, auf dieses Zeitkern der Wahrheit zu reflektieren, ist Müll, schlimmer noch: Ideologie, “deutsche Ideologie” im marxschen Sinne. Die Barbarei als eine qualitativ neue, als eine dem Kapital einerseits entsprungene, andererseits entronnene Gesellschaftsform, die Barbarei als die negative Selbstaufhebung des Kapitals auf der Grundlage des Kapitals, die Barbarei als genuin deutsche Gesellschaftsform, die die Konsequenzen zieht aus dem Zusammenbruch des Kapitals – kein Materialismus ist mehr denkbar, der dies nicht als im Herzen der Kritik der politischen Ökonomie zu bedenken hätte, und kein Materialismus zudem, der, im Angesicht der historischen Erfahrung, nicht darum kämpfte, die Einheit der Kritik zu bewahren, das heißt nicht sich das Bewußtsein durch Umstände, Faktoren, Sonderwege etc. pp. historisch und soziologisch zerstäuben zu lassen. Nicht geht es darum, den Nazifaschismus aus dem Kapital “abzuleiten” (wie die Bürger sagen), sondern darum, der katastrophalen Entfaltung des Kapitals zu seinem Begriff, der Barbarei, kritisch innezuwerden. Es gibt kein Anderes der Totalität.